Von Schwätzchen mit Toten, Clans und einem Fluch
Gerlinde Pölsler in FALTER 11/2017 vom 17.03.2017 (S. 39)
Es gibt Nachschub an spannender Kinderliteratur: drei neue Bücher mit leichtem bis hohem Gruselfaktor
Eltern kennen das: Erst versichern Kinder, die Geschichte sei „überhaupt nicht gruselig“, und: Was? Sie sollen zu jung dafür sein? Frechheit. Dann kommt der nächste Abend und das große Fürchten. Warum sollte es Kindern auch anders ergehen als Erwachsenen? Trotzdem: Schön ist es schon, dieses Schaudern.
Das Gruseln kommt langsam
Es fängt harmlos an: Caspar ist genervt, weil er schon wieder seinen kleinen Bruder Till „an der Backe“ hat. Dabei würde er viel lieber beim Bühnenbild-Schnitzen helfen, fürs Marionettentheater seiner Eltern. Doch was soll diese Puppe, die ihm jemand zusteckt und der etwas Entscheidendes fehlt? „Il segno“, „das Zeichen“, murmelt entsetzt der Geselle des Theaters. Als Till verschwindet, glaubt Caspar erst an einen bösen Traum. Doch wie kann es sein, dass seine Eltern sich nicht an ihren Jüngsten erinnern?
Die Hamburgerin Stefanie Taschinski hat bereits mit den fröhlich-magischen Geschichten um „Die kleine Dame“ aufgezeigt, sowie mit „Funklerwald“, der Geschichte einer Freundschaft mit Hürden. „Caspar“ rankt sich um die Kraft der Geschwisterbande. Und zieht von Beginn an hinein in die Welt des gefeierten Puppentheaters, zum Speicher mit den jahrhundertealten Marionetten und dem Buch, das von einem alten Fluch erzählt.
Und die Flamme erlischt
Minutenlang steht Jack schon in dem dunklen Haus, vor der letzten Tür, unter der flackerndes Licht zu sehen ist. Reingehen oder nicht? „Die Vernunft sagt ihm, auf keinen Fall.“ Doch: „Jack ist ein neugieriger Junge.“
In dem Zimmer trifft Jack zwölf merkwürdige Gestalten, die ihn bereits erwarten. Einer nach dem anderen erzählt seine Geschichte: von Mord, rachedurstigen Seemännern und dämonischen Katzen. Aber was hat es zu bedeuten, dass jeder am Ende seiner Geschichte seine Kerze ausbläst? Als nur noch Jack mit seiner Kerze übrig ist, dämmert ihm, welche Geschichte er erzählen soll.
Der Brite Dave Shelton, für „Bär im Boot“ mit dem Luchs-Preis ausgezeichnet, verbindet im „13. Stuhl“ klassische unheimliche Erzählungen à la Edgar Allan Poe mit modernen Gruselmotiven. Die Schwarz-Weiß-Zeichnungen verstärken den düsteren Grundton. Es bleibt schaurig bis zum Ende: „Er weiß nicht, wie das hier enden wird. Vielleicht sollte er wegrennen. Aber Jack ist ein neugieriger Junge.“
Wirst du die Beute wohl teilen!
Ein Phänomen für sich ist die Kinderbuchserie „Warrior Cats“ um vier verfeindete Katzen-Clans, die sich einen Wald teilen und einander erbitterte Kämpfe liefern: „Die Mission des Schülers“ ist das erste Buch der sechsten Staffel, und wieder erstürmte es die Bestsellerlisten. Schon Volksschulkinder lieben es, das Leben der wilden Räuber nachzuspielen: Jeder bekommt eine klare Funktion zugeteilt (Anführer, Heiler, Krieger, Königinnen) und gehört zu einem bestimmten Clan (Donnerclan, Schatten-, Wind- und Flussclan). Es geht durchaus brutal zu, ihr Futter – Vögel, Mäuse, Hasen – nennen die Katzen bloß „Frischbeute“. Feinde aus anderen Clans darf man töten. Nach innen aber wird eisern zusammengehalten. „Wo ist ihr Frischbeutehaufen?“, flüstert im neuen Buch Funkenpfote Erlenpfote ins Ohr. „Wer bringt den Ältesten und den Königinnen Beute?“ Erst wenn jede kranke Katze versorgt ist, dürfen sich Krieger und Schüler bedienen. Was gar nicht geht, ist Verrat. Motto: Einer für alle, alle für einen. Das ist es wohl, was bei Kindern Wohlgefühl auslöst: Die Serie bietet Abenteuer, und keine harmlosen. Gleichzeitig gehört jeder zu einer Gemeinschaft und hat eine Aufgabe. Was im wirklichen Leben ja nicht immer so ist.
In dieser Rezension ebenfalls besprochen: